Wie sieht eigentlich der Alltag einer Dolmetscherin aus? Welche Anforderungen stellt dieser Beruf und wo kommen Dolmetscher überall zum Einsatz? Auf dieser Seite finden Sie Links zu Artikeln über den Beruf sowie Geschichten aus dem Dolmetsch- und Übersetzeralltag.
„Wir gehen live in fünf“ – Vom Dolmetschen bei Streaming-Veranstaltungen
- Dezember 2021 -
Ich sitze in meiner Dolmetschkabine. Vor mir im Raum eine breite Front von Monitoren, Schaltpulten und Tontechnikern. Durch eine Glasscheibe kann ich in das dahinterliegende Studio blicken, in dem Moderator und Gast gerade konzentriert auf ihre Karteikarten schauen. Die Stimmung ist angespannt, gleich geht’s los. Ich scrolle noch einmal durch meine Unterlagen auf dem Laptop. Die Tür meiner Dolmetschkabine öffnet sich und der Regisseur flüstert mir zu: „Wir gehen live in fünf.“ Ich grinse in mich hinein, denke „witzig, klingt ja wie beim Fernsehen“ und genieße kurz diesen Moment, in dem ich einfach dankbar bin, in einem so aufregenden Beruf arbeiten zu dürfen. Noch einen Schluck Wasser, einmal durchatmen, aufrechte Sitzhaltung, Blick auf den Redner. Die Anspannung weicht der Vorfreude. Auf dem Monitor in meiner Kabine beginnt ein Countdown, der Kameramann im Studio signalisiert dem Moderator die letzten Sekunden – und dann sind wir live. [...]
Was bis vor einigen Monaten noch ein seltenes Vorkommnis im Dolmetschkalender war, hat sich in diesem Jahr immer mehr etabliert: das Dolmetschen von Veranstaltungen, die im Internet für ein erlesenes oder breites Publikum gestreamt werden. Bei einer Veranstaltung, für die ich dieses Jahr im englischen Stream dolmetschen durfte, waren über 10.000 Zuschauer zugeschaltet. Wir erreichen bei solchen Events nun also noch viel mehr Zuhörer als im üblichen Konferenzgeschäft – und damit steigt auch der Anspruch an unsere Dolmetschleistung. Für mich persönlich steigt damit aber auch die Begeisterung für meinen Beruf, den ich vorher schon großartig fand, der nun aber durch das kleine bisschen zusätzlichen Nervenkitzel noch einen Tick aufregender geworden ist.
Zu verdanken haben wir dies der Pandemie. Unternehmen, die durch ständige Absagen und Verschiebungen von Veranstaltungen ihr Publikum nicht mehr erreichen konnten, haben schnell umgeschaltet und sich zum Teil eigene Studios gebaut, aus denen Informationsveranstaltungen oder Pressekonferenzen für verschiedene Zielgruppen live ins Internet gestreamt werden. Standen wir zu Beginn dieser Entwicklung dem Ganzen noch etwas skeptisch gegenüber, haben wir uns heute mit den neuen Settings nicht nur arrangiert, sondern können ihnen auch einiges abgewinnen. Gerade bei gestreamten Events ist meist ein riesiges Produktionsteam im Einsatz. Die Qualität ist hoch und davon profitieren auch wir Dolmetscher. Mit perfektem Ton auf dem Ohr, guter Sicht auf die Redner und der Unterstützung eines Profi-Teams vor Ort sind wir in der glücklichen Lage, uns einfach nur aufs Dolmetschen konzentrieren zu können – traumhafte Arbeitsbedingungen für alle Konferenzdolmetscher.
Ich persönlich empfinde dies als eine sehr positive Folgeerscheinung der Pandemie, da sie unser Einsatzgebiet vergrößert und auch neue Ansprüche an uns stellt. Dank meiner Ausbildung zur Studiosprecherin habe ich das Glück, bei solchen Einsätzen auf ein paar Tricks aus dem Sprecherbereich zurückgreifen zu können. Denn wie im Sprecherstudio sehen wir unser Publikum nicht, wenn wir für ein Streaming-Event dolmetschen, und das stellt ganz andere Anforderungen an uns. Die Zuhörer sollen sich schließlich trotzdem angesprochen fühlen. Und es schadet auch nicht, wenn die Aufregung, die manchmal ja doch vorhanden ist, nicht zu hören ist.
Allen Kolleginnen und Kollegen, die ein Live-Publikum von mehreren tausend Menschen eher als angsteinflößend als beglückend empfinden, kann ich daher zum Schluss noch meinen persönlichen Tipp mitgeben: Lächeln! Wie meine Schwester, die im Bereich der Psychotherapie arbeitet, mir einmal erklärt hat, ist es dem menschlichen Gehirn unmöglich, Angst zu empfinden, wenn man über eine gewisse Zeit lächelt. Wer also nicht ohnehin vor Vorfreude in der Kabine vor sich hin grinst, der darf sein Gehirn einfach mal austricksen. Und schon klingen wir auch viel besser, wenn der Countdown bei Null ist.
Dolmetschen mit Sicherheitsabstand – ein Bericht über die Verdolmetschung von Online-Veranstaltungen
- Juli 2020 -
Ich reagiere heutzutage schon beinahe euphorisch, wenn im Posteingang des E-Mail-Accounts eine Nachricht mit dem Betreff „Anfrage“ eintrifft. Wenn dann auch noch das Wort „Dolmetscher“ irgendwo vorkommt, bin ich einfach nur glückselig. Seit Monaten sind Kunden entweder aufgrund von Verboten nicht in der Lage, ihre geplanten Veranstaltungen umzusetzen, oder sehr zurückhaltend, wenn es um die Planung von größeren internationalen Veranstaltungen für die zweite Jahreshälfte geht. Verständlich – denn niemand weiß, wie sich die Pandemie weiter entwickelt und was uns im Herbst noch bevorsteht. Glücklicherweise gibt es die Möglichkeit, internationale Veranstaltungen, seien es Pressekonferenzen, unternehmensinterne Meetings oder Fachtagungen, online oder in Hybridform durchzuführen und diese verdolmetschen zu lassen. Und so kam auch ich bereits ein paar Mal in den Genuss, bei solch einer Veranstaltung zu dolmetschen. [...]
Aber was ist für Konferenzdolmetscher überhaupt anders bei einer Online-Veranstaltung? Und funktioniert alles auch so, wie es soll? Tatsächlich hat (zu meiner leichten, aber positiven Überraschung) bisher immer alles bestens geklappt, wenn ich einen Einsatz bei einem Online-Meeting hatte. Dem ging aber auch reichlich Vorbereitung der technischen Umsetzung auf Seiten des Kunden voraus. Jeder konnte jeden hören, den er hören sollte, und die Übertragung war unterbrechungsfrei. Für uns Dolmetscher sind die neuen Arbeitsmodalitäten noch etwas ungewohnt, aber durchaus zu meistern.
In einem Setting saß ich gemeinsam mit meinem Kollegen mit Sicherheitsabstand in einem Besprechungsraum des Kunden, vor uns ein großer Monitor, auf dem wir die Videokonferenz verfolgen konnten, gedolmetscht wurde in ein Telefon, das wir jeweils vor den aktiven Dolmetscher legten. Funktioniert hat dieses ungewöhnliche Setup in dem Fall ganz gut, da wir nur einen Zuhörer hatten. Der Ton, den wir aufs Ohr bekamen, konnte nicht für jeden Dolmetscher individuell geregelt werden, aber wir konnten uns schnell auf eine gemeinsame Lautstärke einigen. Das mag sich banal anhören, ist aber für den Dolmetscher ein sehr wichtiger Punkt, vor allem da uns eine ganztägige Konferenz bevorstand. Die Tonqualität war zwar nicht immer die beste, es waren auch nicht alle Redner zu sehen, aber insgesamt war es doch gut machbar. Und am Ende des Tages stand auch die Erkenntnis, dass nicht alles schlecht sein muss unter den neuen Bedingungen: Im Vergleich zu den 2,5 Quadratmetern, die wir Dolmetscher uns normalerweise einen ganzen Tag lang teilen, fühlt man sich in so einem Besprechungsraum mit Frischluftzufuhr durchs Fenster doch wesentlich freier.
Bei meinem letzten Einsatz wartete dann eine ganz andere Herausforderung auf meine Kollegin und mich: voneinander abgeschottet in zwei separaten, schalldichten Dolmetschkabinen konnten wir uns nicht hören. Diesmal saßen unsere Redner mit uns in einem Raum und die Veranstaltung wurde für die Teilnehmer online übertragen. Im Hintergrund sorgten reichlich Techniker für einen reibungslosen Ablauf. So groß die Freude war, mal wieder in einer waschechten Dolmetschkabine mit richtigem Dolmetschpult zu sitzen, mussten wir uns erst einmal etwas einfallen lassen, um miteinander kommunizieren zu können.
An eine Zusammenarbeit im üblichen Sinne war nicht zu denken – normalerweise hört der Dolmetscher, der gerade nicht dran ist, dem anderen zu, kann Zahlen mitschreiben oder etwas notieren oder nachschlagen, wenn dem aktiven Dolmetscher mal ein Wort nicht einfällt oder der Redner sehr schnell ist. Und auch für eine reibungslose Übergabe an die Kollegin ohne Überlappung ist es grundsätzlich hilfreich, sie zu hören. Zwar war es technisch möglich, die Pulte so zu programmieren, dass wir uns entweder über die Kopfhörer oder den Lautsprecher parallel zum Original hören würden. Dann hätten wir bei Übergabe allerdings so viele Rädchen drehen und Knöpfe drücken müssen, dass wir nach kurzer Überlegung entschieden, dass es besser wäre, wenn wir uns einfach nonverbal per Handzeichen verständigen, damit auch nichts schiefgeht und unsere Verdolmetschung sicher im Ohr des Kunden ankommt. Das klappte dann auch wunderbar und Kunde, Techniker und Dolmetscher konnten sich am Ende über ein gelungenes Ergebnis freuen.
Mein Fazit: Ich habe mich so langsam mit den neuen Gegebenheiten angefreundet, meine Kenntnisse der Zeichensprache ausgebaut und freue mich darauf, dass noch mehr Kunden den Schritt zum Online-Meeting mit Verdolmetschung wagen. Ich bin bereit!
Ein ehrlicher Blick auf das Leben als Konferenzdolmetscherin zu Zeiten einer Pandemie
- Mai 2020 -
Ja, die Pandemie... Ich möchte eigentlich gar keinen Artikel zu diesem Thema verfassen, könnte natürlich auch nach anderen interessanten Aufhängern kramen und zu einem x-beliebigen Thema einen netten Artikel schreiben. Aber irgendwie sind wir nun doch alle sehr geprägt von dieser Zeit. Und nachdem ich mich – ebenso wie viele meiner Kolleginnen und Kollegen – lange nicht mit der Corona-Krise in Verbindung bringen wollte, da der Dolmetschmarkt ohnehin schon fast vollständig zum Erliegen kam und wir alle recht gebeutelt sind, und irgendwie auch ein wenig sauer auf diese Pandemie, denn es lag bis Anfang März noch ein so aufregendes und auftragsreiches Jahr vor uns, möchte ich fast sagen, gebe ich nun doch klein bei, sage aber lieber: berichte ich nun, was man als Konferenzdolmetscherin so anstellt mit der neu gewonnenen Zeit und was die C-Krise vielleicht auch Positives hervorbringt. [...]
Ich gehöre zu den Dolmetschern, die nebenher auch übersetzen, und hatte zu Beginn der Krise, als plötzlich alle Konferenzen, die bereits lange gebucht waren, abgesagt wurden, nach anfänglichem Schock noch die recht lockere Einstellung, dass ich ja immerhin meine Übersetzungsarbeit habe, die ich ohnehin immer von zuhause aus erledige. Bis mich dann ein paar Wochen später die Hiobsbotschaft ereilte, dass auch mein wichtigster Übersetzungskunde coronabedingt nichts mehr extern vergeben darf. Mit diesem Blick in die völlige Leere hatte ich dann doch nicht gerechnet. Bis vor Corona hatte ich meinen Job immer als halbwegs krisensicher betrachtet. Als Übersetzer im Bereich Medizin oder Finanzen hat man aktuell sicherlich gut zu tun, mein Terrain ist allerdings eher der technische Bereich. Die Krise gab also Anlass zum Nachdenken.
Bin ich mit meinem Beruf sicher aufgestellt? Nehme ich die Krise zum Anlass, mich ein wenig umzuorientieren oder mir ein weiteres Standbein aufzubauen? Interessen und Ideen habe ich viele und über die Jahre hatte ich immer wieder mal Einfälle, was ich noch gern beruflich ausprobieren möchte, falls der Dolmetschmarkt sich einmal so stark verändern sollte, dass kein Auskommen mehr ist. Ich könnte mir gut vorstellen, als Sprecherin zu arbeiten, was meinem Beruf ohnehin verwandt ist; ich arbeite gern mit Holz, baue kleine Möbelstücke, richte gerne ein, und könnte mir auch vorstellen, diesen Bereich auszubauen. Ich koche leidenschaftlich gern und fände es auch total spannend, einen Food-Truck zu betreiben... auf jeden Fall müsste es etwas mit ähnlich viel Freiheit sein, wie ich sie in meinem aktuellen Beruf habe. Hirngespinste und Ideen waren also genug vorhanden. Doch sollte ich sie umsetzen? Halbherzig schrieb ich eine Nachricht an eine lokale Tageszeitung, die auch Videos produziert, um mich als Sprecherin zu bewerben. Natürlich bekam ich keine Antwort. Und schnell war mir klar, dass wenn ich mir ein weiteres Standbein aufbauen möchte, ich genauso viel Herzblut und Leidenschaft in die Sache stecken müsste und wollte, wie ich es beim Dolmetschen und Übersetzen tue. Und das wäre dann vielleicht doch ein wenig stressig, wenn wir denn annehmen, dass der Dolmetschmarkt sich wieder beruhigt.
Ich fragte mich, wie denn mein Traum-Berufsleben aussehen sollte. Und stellte ebenso schnell fest, dass ich meinen beruflichen Traum bereits lebe. Und mir wurde wieder einmal klar, was für ein Privileg das ist, denn mir sind in meinem Leben außer Dolmetschern noch nicht wirklich viele Menschen begegnet, die das von sich behauptet hätten. Was blieb mir also zu tun? Ich genieße die gewonnene freie Zeit, ich baue Möbelstücke aus Holz, probiere viele neue Kochrezepte aus, arbeite inzwischen jede Woche ehrenamtlich in einer DRK-Kleiderkammer, ich lese viel, ich nutze die Zeit, um Kraft zu tanken für das, was hoffentlich bald wieder kommt. Und inzwischen hatte ich sogar wieder ein paar Dolmetscheinsätze und durfte ein größeres Übersetzungsprojekt für einen Kunden übernehmen. Ich denke, es lohnt sich, meinem Traumberuf treu zu bleiben, auch wenn es bestimmt noch ein Weilchen dauern wird, bis ich wieder jede Woche in einer anderen Stadt mit Kollegen in der Dolmetschkabine sitze. Vorfreude ist ja bekanntlich die schönste Freude.
Artikel im Online-Magazin CIM zu meiner Arbeit als Dolmetscherin bei der IAA
https://www.cimunity.com/de/news/anbieter/artikel/in-diesem-moment-bin-ich-seine-englische-stimme-dolmetschen-erfordert-ruhe/
Entspannte Dolmetscherin, entspannte Stimme, entspannte Zuhörer
- Februar 2020 -
Im Juli 2019 habe ich im Rahmen meiner Tätigkeit als Mentorin im Nachwuchsprogramm des VKD ein Seminar zum Thema Stimmbildung besucht. Geleitet wurde es von Christina Puciata, professionelle Sprecherin und 1. Vorsitzende des Verbands Deutscher Sprecher (https://www.sprecherverband.de/). Ich habe die Tipps und Tricks aus dem Stimmtraining in der Herbst-Winter-Saison 2019 ausprobiert und bin hellauf begeistert, was ich noch so alles aus meiner Stimme herausholen konnte, beziehungsweise – und noch viel wichtiger – wie mich das Gelernte viel fitter und entspannter durch die Saison hat kommen lassen. [...]
Denn den ganzen Tag in kleinen, oft dürftig belüfteten Dolmetschkabinen zu sprechen, kann einem ganz schön auf die Stimme schlagen. Hinzu kommt das viele Reisen in der Bahn und mit dem Auto und der ganz normale Wahnsinn eines Dolmetscheralltags. Wie auf so vieles andere wirken sich Stress und Emotionen auch auf die Stimme aus. Und es ist ja die Stimme, mit der wir unsere Arbeit an den Kunden bringen, unseren Zuhörer. Dieser bekommt unsere Stimmen direkt aufs Ohr. Eine große Verantwortung also, der man sich manchmal gar nicht so richtig bewusst ist, wenn man hinten im Saal in seiner Dolmetscherkabine sitzt. Nämlich eben nicht nur inhaltlich alles korrekt rüberzubringen, sondern es auch so ins Ohr des Konferenzteilnehmers zu transportieren, dass er den ganzen Tag entspannt zuhören kann. Für mich als Dolmetscherin übrigens auch das schönste Kompliment, das mir ein Zuhörer machen kann – dass er sich mit meiner Stimme im Ohr wohlfühlt.
Wie schafft man das also? Dem Zuhörer ein gutes Gefühl zu geben und die eigene Stimme sorgsam zu behandeln? Zunächst sollte man seine Indifferenzlage finden. Das ist die natürlich Stimmlage, die jeder von uns hat, und die sich ganz ohne Anstrengung, mit entspannter Bauchatmung erreichen lässt. Überhaupt ist die (richtige) Atmung ein sehr wichtiges Instrument, um die Stimme entspannt zu halten und immer wieder in die Indifferenzlage zurückkehren zu können. Auch die Körperhaltung ist von Bedeutung und sogar die Ausrichtung der Dolmetschkabine kann daher die Dolmetschleistung beeinflussen. Den ganzen Tag den Kopf nach rechts oder links drehen zu müssen, um den Redner sehen zu können, fördert, wie man sich denken kann, nicht gerade die Stimmgesundheit. Am wichtigsten ist meiner Meinung nach aber eine entspannte und gelassene innere Haltung, die der schnellste Redner der Welt nicht so schnell ins Wanken bringen kann. Christina Puciata hatte noch viele weitere Tipps auf Lager, mit denen sich eben dies erreichen lässt, von Yoga, Dehn- und Lockerungsübungen über Meditation bis hin zum Singen. Denn die Stimmbänder zu trainieren, macht sie auch stärker und widerstandsfähiger. Ich jedenfalls habe mein Rezept für eine entspannte Stimme gefunden und freue mich noch heute, dass ich so viel von diesem Seminar für meinen (Berufs-)Alltag mitnehmen konnte.
Klar, im Eifer des Gefechts wird es auch mal hektisch in der Dolmetschkabine – ein sehr schneller oder unsortierter Redner sowie schwierige Rahmenbedingungen wirken sich auch auf die Dolmetschleistung aus. Umso wichtiger ist es, ein paar Tricks auf Lager zu haben, um schnell wieder in die entspannte Grundhaltung kommen zu können. Ich freue mich schon darauf, auch in der Winter-Frühjahrs-Saison 2020 diese Tricks wieder zum Einsatz zu bringen, und hoffe auf viele entspannte Zuhörer.
Dolmetschen und Übersetzen: Spezialisierung oder beides?
Vielen, die noch nicht mit unserem Beruf in Kontakt gekommen sind, müssen wir Dolmetscher und Übersetzer erst einmal erklären, dass es einen Unterschied gibt zwischen dem Dolmetschen und dem Übersetzen. Nicht jeder Konferenzdolmetscher arbeitet gleichzeitig als Übersetzer und die meisten Übersetzer haben keine Ausbildung zum Konferenzdolmetscher absolviert, sondern übersetzen ausschließlich in schriftlicher Form. [...]
Ich bin froh, dass ich mich nach meinem Masterstudium zur Konferenzdolmetscherin dazu entschieden habe, beiden Tätigkeiten nachzugehen. Schließlich habe ich nicht nur einen Abschluss als Dolmetscherin, sondern auch einen als Übersetzerin, warum also diese jahrelang trainierte Fähigkeit einfach verkümmern lassen, um sich ganz dem Dolmetschen zu widmen?
Noch viel wichtiger: Beide Tätigkeiten ergänzen sich ideal! Klar, die Anforderungen an eine Übersetzung unterscheiden sich von denen einer Verdolmetschung. Die Übersetzung soll präzise und stilistisch einwandfrei daherkommen und es steckt meist ein längerer Denkprozess dahinter. Beim Dolmetschen geht es um Schnelligkeit, auch mal um Improvisationsgeschick, und natürlich im besten Falle die gleiche stilistisch einwandfreie Leistung wie bei der Übersetzung. Doch während der Dolmetscher auch mal damit leben können muss, einen Satz nicht ganz so stilistisch rund formuliert zu haben, da der Redner mal wieder sehr schnell spricht und das Thema einiges an Konzentration abverlangt, wodurch der Dolmetscher seine Kapazitäten eher auf die inhaltliche Präzision als die stilistische verwenden muss, vor allem dann, wenn der Redner ein Liebhaber langer Sätze ist und viele Einschübe bringt, die man als Dolmetscher in der Zielsprache auch noch irgendwo unterbekommen muss, um dann noch zu wissen, wo man sich gerade im Satz befindet (betrachten Sie diesen Satz als Beispiel), so kann der Übersetzer einen solchen Endlossatz ganz einfach in Ruhe auseinandernehmen und stilistisch einwandfrei in die Zielsprache übertragen.
Neben dieser Analysefähigkeit, die in beiden Disziplinen gefragt ist, gibt es aber noch viele weitere Gründe, warum sich Dolmetschen und Übersetzen prima ergänzen. Der meiner Meinung nach wichtigste: Keiner dolmetscht 250 Tage im Jahr, selbst wenn man die Vorbereitungszeit dazuzählt. Umso wichtiger ist es, dabei zu bleiben und seine Fähigkeiten immer weiter auszubauen. Da ist es natürlich von Vorteil, wenn man sich im Dolmetschen und Übersetzen auf ähnliche Fachgebiete spezialisiert, denn dann ist jede Übersetzung, die man neben seinen Dolmetscheinsätzen übernimmt, eine zusätzliche Weiterbildung im entsprechenden Fachgebiet.
Um also eine Antwort auf meine Frage in der Überschrift zu geben: ganz klar beides! Für diejenigen in unserem Berufszweig, denen die Möglichkeit offensteht, beiden Tätigkeiten nachzugehen, ist die Kombination von Dolmetschen und Übersetzen eine wunderbare Möglichkeit, seine eigenen Fähigkeiten kontinuierlich auszubauen. Und: Ich persönlich freue mich immer wieder, wenn ich mich nach drei anstrengenden Konferenztagen wieder an meinen Schreibtisch setzen und akribisch an einer Übersetzung arbeiten darf, und genauso, wenn ich nach zwei Wochen Übersetzungsarbeit den Schreibtisch mal wieder gegen die Dolmetschkabine tausche.